|Rezension| Wenn Männer mir die Welt erklären – Rebecca Solnit

„Die Emanzipation der Frau wurde oft als Bewegung dargestellt, die darauf abzielt, die Macht und Privilegien von Männern zu beschneiden oder sie ihnen ganz wegzunehmen, als handelte es sich um ein armseliges Nullsummenspiel, bei dem immer nur ein Geschlecht frei und mächtig sein kann. Aber wir sind entweder gemeinsam frei oder unfrei.“ (S. 55)

Details

Erscheinungsdatum Erstausgabe: 06.11.2017Unbenannt

 

Verlag: Hoffmann und Campe Verlag

ISBN: 978-3-455-00196-9

Seiten: 224

Genre: Sachbuch

 

Inhalt

Ein Mann, der mit seinem Wissen prahlt, in der Annahme, dass seine Gesprächspartnerin ohnehin keine Ahnung hat – jede Frau hat diese Situation schon einmal erlebt. Rebecca Solnit untersucht die Mechanismen von Sexismus. Sie deckt Missstände auf, die meist gar nicht als solche erkannt werden, weil Übergriffe auf Frauen akzeptiert sind, als normal gelten. Sie schreibt über die Kernfamilie als Institution genauso wie über Gewalt gegen Frauen, französische Sex-Skandale, Virginia Woolf oder postkoloniale Machtverhältnisse. Leidenschaftlich, präzise und mit einem radikal neuen Blick zeigt Rebecca Solnit auf, was längst noch nicht selbstverständlich ist: Für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gilt es, die Stimme zu erheben. (Quelle: Klappentext)

 

Rezension

Wie fange ich am besten an? Das Buch Wenn Männer mir die Welt erklären umfasst neun Essays der Autorin, Wissenschaftlerin und Feministin Rebecca Solnit.

Beginnt man mit dem ersten Essay und hat man, wie ich, in den letzten Monaten eher zu leicht verdaulicher Lektüre gegriffen, fällt es einem teilweise schwer den Worten Solnits zu folgen. Gerade zu Beginn tauchen Bandwurmsätze auf, welche ich sehr konzentriert oder auch mehrmals lesen musste, um das Gesagte zu verinnerlichen. In der Mitte des Buches fallen derweil häufiger Begrifflichkeiten, die einem Laien nicht unbedingt geläufig sind. Zudem werden Personen zitiert oder eingebunden, für die das gleiche gilt. Das wäre es für mich aber auch mit den Kritikpunkten, die man als solche nicht unbedingt bezeichnen kann, da es durchaus auch an der erwähnten vergangenen Lektüre liegt, die sich gerade sprachlich in diesem Fall einfach stark von Solnit unterscheidet, dass sich bei mir zunächst kein richtiger Lesefluss einstellen wollte.

„Wir wissen weniger, wenn wir meinen zu wissen, als wenn wir erkennen, dass wir nicht wissen“ (S.116)

Die gesammelten Essays von Solnit sind zum Teil schon etwas älter, so hat sie den ersten Text des Buches, nämlich „Wenn Männer mit die Welt erklären“, bereits 2008 geschrieben und veröffentlicht. Die weiteren Essays wurden dann unter anderem bis zum Jahr 2014 verfasst, in diesem Jahr wurde auch das Originalwerk Men Explain Things To Me in den USA veröffentlicht.

Der Einstieg ist an dem gesamten Buch vielleicht noch das harmloseste und wirkt auf den ersten Blick recht amüsant: Ein älterer Mann, der Frau Solnit großspurig von einem bahnbrechenden neuem Buch erzählen muss, welches so viel wichtiger sei als jenes, das sie scheinbar über das gleiche Thema geschrieben hat. Es stellt sich heraus, dass dieses fantastische Buch, welches der Herr meint, genau das von Rebecca Solnit verfasste ist. Dieses Erlebnis löst eine Kettenreaktion der Gedanken und Verknüpfungen in Solnit aus, die sie in ihren Essays darüber führen, dass Frauen bis heute nicht nur von Männern kleingeredet, mundtot und unsichtbar gemacht werden, sondern auch begrabscht, ausgebeutet, verprügelt, vergewaltigt und getötet.

„Gewalt hat keine Rasse und keine Klasse, keine Religion und keine Nationalität, aber sie hat ein Geschlecht.“ (S. 35)

Gerade in „Der längste Krieg“ spart Solnit nicht mit schockierenden, harten Fakten, mit denen sie uns ernüchternd sachlich bombadiert… Schlag auf Schlag führt sie uns das Übel der Welt vor Augen und ließ mich als Leserin schier verzweifeln. Ich habe mir unwillkürlich die Frage gestellt, ob es überhaupt noch Hoffnung für uns Frauen gibt. Doch in solchen Momenten ist es Solnit zum Glück auch immer wieder wichtig zu betonen, dass nicht alle Männer schlecht sind. Auch wenn der Großteil aller Verbrechen von Männern begangen werden, sind die meisten Männer nicht gewalttätig.

Solnit gelingt es fantastisch den Bogen von dem kleinen „Einzelfall“ zu dem großen Ganzen zu schlagen. Sie geht nicht nur auf kulturelle Ursprünge und einen sehr interessanten Ansatz zur ehelichen Gleichstellung ein, sondern auch auf globale Ungerechtigkeit und zieht ganz konkrete Beispiele wie den Fall von Dominique Strauss-Kahn heran.

„Ihr Name war Asien. Seiner war Europa. Ihr Name war Schweigen. Sein Name war Macht. Ihr Name war Armut. Sein Name war Reichtum. Ihr Name war SIE, aber was gehörte ihr? Sein Name war ER, und er ging davon aus, dass alles ihm gehörte und er sie nehmen konnte, ohne zu fragen und ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.“ (S.61)

Für mich war der Mittelteil etwas schwierig, wenn Solnit unter anderem über Virginia Woolf schreibt. Ab diesem Moment wird der Inhalt zunächst weniger hart, doch verwirrte er mich auch zum Teil, da mir der Bezug zur Thematik zunächst etwas abging – auch wenn es sich bei Virginia Woolf um eine Person handelt, die als Schriftstellerin Ende der 1920er Jahre mit ihren Essays zu einer Schlüsselfigur der Frauenbewegung wurde. Der Text wurde leider etwas konfus, als Solnit bspw. Sontag zitiert, die wiederum Woolf zitiert oder auf verschiedenste Werke der genannten Autorinnen Bezug genommen wird, welche mir persönlich unbekannt waren.

Nach diesem Essay geht es jedoch wieder deutlich bergauf. Nicht nur inhaltlich, sondern auch emotional. Es folgen die drei letzten Essays, welche Mut machen und Hoffnung säen. Solnit geht darauf ein, was Feministinnen und Frauenbewegungen bereits erreicht haben. Die Begriffe „häusliche Gewalt“, „mansplaining“ (eine Mischung aus to explain = erklären und man = Mann), „Vergewaltigungskultur“ und „sexueller Machtanspruch“ beschreiben Probleme, führen durch ihren Gebrauch jedoch auch zu Lösungen, zu einem umdefinieren der Welt. Es hat sich vieles zum besseren entwickelt und wer weiß wo uns die Zukunft noch hinführen kann. Es gibt immer mutige Frauen (und Männer), die den Mund aufmachen und ihre Stimme erheben, um Veränderungen – wenn nicht schon für sich selbst, dann jedoch für nachfolgende Generationen – zu bewirken.

„Hier ist sie also, diese Straße, die vielleicht tausend Kilometer lang ist, und die Frau, die sie entlanggeht, ist längst nicht mehr bei Kilometer eins. Ich weiß nicht, wie weit sie noch gehen muss, aber ich weiß, dass sie nicht rückwärtsgeht, komme, was da wolle – und dass sie nicht allein ist.“ (S.213)

 

Fazit

Solnit stellt selbst in ihrem letzten Essay „Die Büchse der Pandora und die Freiwilligenpolizei“ fest, wie eine zu Beginn lustige Anekdote sie in ihren Essays zu weitaus ernsteren Themen geführt hat und wie all diese Probleme der Frauen doch miteinander zusammenhängen. Das wiederum erschüttert nicht nur sie, sondern auch uns als Leser.

Ehrlicherweise wurde mir erst jetzt gerade, als ich diesen Blogeintrag verfasst habe bewusst, wie sehr mich das Buch tatsächlich mitgerissen hat. Rebecca Solnit gelingt es zu schocken, mich zur Verzweiflung zu bringen, dazu, dass Buch Wutentbrannt zur Seite werfen zu wollen und gleichzeitig jedoch auch zu verstehen, zu hinterfragen und Hoffnung zu entwickeln. Ich fühlte mich hilflos und ausgeliefert während ich gelesen habe und auch jetzt, wenn ich die einzelnen Essays wieder durchspiele, geht es mir ähnlich. Doch gleichzeitig habe ich das Gefühl mich wehren und meine Stimme erheben zu müssen, damit wir in Zukunft alle gleich frei sein können.

„Für die Großmütter, die Gleichmacherinnen, die Träumenden, die Männer, die begreifen, die jungen Frauen, die dranbleiben, die älteren Frauen, die den Weg bereitet haben, für die Gespräche, die nicht enden, und eine Welt, in der es […] möglich sein wird, sich ganz und gar zu entfalten.“ (Widmung von Rebecca Solnit)

#YesAllWomen

Ergänzung: Ich habe viele Themen aus dem Buch nicht angeschnitten und ich weiß, dass gerade die Schlusskapitel, welche mir eigentlich besonders gut gefallen haben, zu kurz kommen… doch ich wollte denen, die sich dieses Buch noch durchlesen wollen, nicht alles vorweg nehmen. Soviel sei nur gesagt: Es ist absolut lesenswert!

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